175 Jahre Baptistengemeinden in Deutschland: Die Pionierzeit des deutschen Baptismus / 1834-1859 (Folge 1/12)
- Herr Oncken
- Erstfassung: Glaubensbekenntnis
Johann-Gerhard Oncken (geb. 1800 in Varel, gest. 1884 in Zürich) stammte aus einfachsten Verhältnissen. Ihn prägte die Zeit, die er in Großbritannien als Kaufmannsgehilfe verbrachte.
Zwischen 1814 und 1823 lernte er als Heranwachsender das damals modernste Land der Welt kennen. Handel und Industrie standen in voller Blüte. Bürgerliche und religiöse Freiheiten hatten einen Stand erreicht, der in Deutschland noch lange nicht in Sicht war.
Die Schattenseite dieser Entwicklung war die Massenarmut und die moralische Verwahrlosung unter den Industriearbeitern. Angesichts dieser Widersprüche in der Gesellschaft fand Oncken innere Orientierung in der calvinistisch geprägten Frömmigkeit der schottischen und englischen Erweckungsbewegung und entdeckte seine persönliche Berufung.
Bekehrung, Wiedergeburt und Heiligung, konsequente Ausrichtung an der Bibel und unermüdlicher Missionseifer waren seither die Eckpunkte seines Selbstverständnisses.
Nach der Rückkehr nach Deutschland war Oncken seit 1828 in Hamburg als Vertreter britischer Schriftenmissionsgesellschaften tätig. Aus dem Hamburger Kleinbürger- und Arbeitermilieu sammelte er um sich eine Gruppe von Gläubigen zu regelmäßigen Versammlungen.
Nachdem in diesem Kreis schon seit 1829 die biblische Berechtigung der Kindertaufe bestritten worden war, ließen „Oncken und Consorten“ (so sagten damals die Hamburger) am 22. April 1834 vom durchreisenden amerikanischen baptistischen Theologen Barnard Sears taufen.
Für die Hamburgischen Behörden und für die Staatskirche der stolzen Kaufmannsrepublik, die in ihrer religiösen und politischen Entwicklung im 17. Jahrhundert stehengeblieben war, war Onckens Gemeindegründung eine höchst verdächtige Angelegenheit, die man Anfangs durch Polizei und Gerichtsbarkeit zu unterdrücken versuchte.
Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass die kleine Gemeinde zum Ausgangspunkt einer erfolgreichen Missionsarbeit wurde, vor allem durch Bibel- und Schriftenverbreitung, Predigtreisen und Kontaktaufnahme mit ähnlich denkenden Kreisen an anderen Orten.
Bald folgten Gemeindegründungen in Berlin und Oldenburg (1837), Stuttgart (1838), Kopenhagen (1839), Jever, Bitterfeld, Bayreuth und Marburg (1840). 1847 nahmen die Gemeinden ein Glaubensbekenntnis an, das einen deutlichen Einfluss des calvinistisch geprägten angelsächsischen Baptismus erkennen lässt, dem Oncken sich zeitlebens verbunden fühlte.
1849 wurde der „Bund der vereinigten Gemeinden getaufter Christen in Deutschland und Dänemark“ gegründet, im selben Jahr erschien das erste Gesangbuch, die von Julius Koebner herausgegebene „Glaubensstimme“.
1859 hatte die baptistische Mission außer Deutschen und Dänen bereits Gläubige polnischer Nationalität erreicht. Mission, Kampf für Religionsfreiheit und Überwindung von sprachlichen und nationalen Unterschieden waren für die frühen Baptisten ein und dasselbe Anliegen — nämlich das Anliegen des Evangeliums.
Prof. Dr. Martin Rothkegel Theologisches Seminar (FH) Elstal / Gemeinde Berlin-Wedding
(Abdruck mit freundlicher Genehmigung des BEFG; wird fortgesetzt)