„Abbruch und Aufbruch“ - der BEFG in den Jahren 1995 – 2005 (Folge 11/12)
- Luftbild Bildungszentrum Elstal
Bereits 1991 war das Theologische Seminar der DDR von Buckow nach Hamburg umgezogen. Der Raum in der Rennbahnstraße wurde eng. Ein neu entwickeltes Gesamtbildungskonzept, das auch Fortbildungen für Ehrenamtliche einbeziehen sollte, beförderte ebenfalls das Nachdenken über räumliche Erweiterungen.
Diskutiert wurde die Frage, ob das Gelände in HH-Horn dafür nutzbar sei oder ob ein neues Bildungszentrum in Hamburg, in der Mitte Deutschlands oder ganz wo anders geplant werden sollte.
Der Bundesrat beschloss 1994 in Rostock, ein Gelände in Elstal vor den Toren Berlins zu kaufen. 1997 erfolgte der Umzug von Hamburg nach Elstal. Das Theologische Seminar (seit 2003 staatlich anerkannte Fachhochschule), das Gemeindejugendwerk (GJW), die Bibelschule und die neu entwickelten Institute „Seminar für Gemeindearbeit“ und „Institut für Seelsorge und Psychologie“ siedelten sich an der B5 westlich von Berlin an. Hinzu kam noch ein Komplex mit seniorengerechten Wohnungen.
Ein mit viel Engagement verbundener Aufbruch in eine neue Ära, aber auch Abbruch einer langen Tradition theologischer Ausbildung und Verwurzelung des Bundes in Hamburg. Und eine große finanzielle Herausforderung für die Bundesgemeinschaft. Im Laufe der Jahre mehrten sich die Stimmen, dass sich der Bund mit der Schuldenlast überfordert habe.
- Bundesmissionshaus Bad Homburg (1977)
Veränderungen gab es auch im Bundeshaus in Bad Homburg. Mit Lutz Reichardt (1995), Heinz Sager (1996) und Hans-Detlef Saß (2000) traten innerhalb kurzer Zeit drei neue Bundesdirektoren ihren Dienst an.
Unter den neuen Projekten fiel besonders die von Lutz Reichardt im Blick auf den bevorstehenden Jahrtausendwechsel ins Leben gerufene Zukunftskommission „Unser Weg in die Zukunft“ auf. Nach einer Befragung (fast) aller Gemeinden wurde der Bedarf für die Arbeit des Bundes neu definiert. Vorschläge für eine neue Leitungsstruktur wurden daraus abgeleitet und 10 Leitsätze formuliert, die die Arbeit der Gemeinden und das Miteinander im Bund auf den Punkt bringen.
Ergebnisse der Zukunftskommission wurden auf dem Bundesrat 2002 in Krelingen vorgestellt. Der Bundesöffentlichkeit wurde auf diesem Bundesrat aber auch eine Krise in der Leitung des Bundes bekannt. Der Bundesrat 2002 wurde zum „Krisengipfel“.
Alle drei Bundesdirektoren und die gesamte Bundesleitung beendeten ihren Dienst.
Spontan wurde in Krelingen eine „Übergangsbundesleitung“ gewählt. Präsident wurde der gerade in den Ruhestand verabschiedete ehemalige Bildungsreferent des Bundes, Pastor Siegfried Großmann, und Vizepräsident wurde Wirtschaftsfachmann Dr. Raimund Utsch, der als Berater des Bundes eigentlich nur angereist war, um die Ergebnisse der Zukunftskommission zu präsentieren. Beide übernahmen auch die Funktion der Bundesdirektoren.
Die „Übergangsbundesleitung“ traf sich monatlich mit einigen verbliebenen Referenten des Bundes. Im November 2002 konnte auf einem Sonderbundesrat in Gelsenkirchen eine neue Leitungsstruktur verabschiedet werden. Außerdem wurde beschlossen, das Bundeshaus nach Elstal auf den Campus des Bildungszentrums zu verlegen. Und es wurde ein langfristiger Finanzplan genehmigt. Durch Sparmaßnahmen und Spendenaufrufe konnte im Laufe der nächsten Jahre eine deutliche Reduzierung der Schulden umgesetzt werden.
- Bundesmissionshaus Bad Homburg, Steintafel
2003 übernahm die neu gebildete Bundesgeschäftsführung unter der Leitung von Regina Claas als Generalsekretärin und Andreas Lengwenath als kaufmännischer Geschäftsführer die Arbeit der Bundesdirektoren.
Die Verfassung des Bundes und in der Folge viele Ordnungen wurden neu gestaltet.
Durch das engagierte Mitarbeiten vieler konnten die Leitungskrise des Bundes überwunden und neue Perspektiven entwickelt werden – auch wenn nicht alle Irritationen aus der Krise bei Einzelnen und Gemeinden aufgearbeitet werden konnten.
Im Leben vieler Gemeinden ließen sich in dem Jahrzehnt von 1995 bis 2005 Veränderungen beobachten. Manche Traditionen und Gewohnheiten, die früher als „typisch baptistisch“ galten, traten in den Hintergrund.
Viele Gemeinden griffen Anregungen der „Willow Creek“-Bewegung auf und modernisierten ihre Gottesdienste radikal. Vielerorts setzte sich das Klavier oder die Band zur Begleitung des Gemeindegesangs anstelle der Orgel durch. In gemeinsamer Verantwortung mit dem Bund Freier evangelischer Gemeinden erschien 2003 ein neues Liederbuch „Feiern und Loben“, eine Koproduktion von Hänssler-, Bundes- und Oncken-Verlag.
Die Identifikation der einzelnen Gemeinden und der Mitglieder mit dem Bund ist heute weniger selbstverständlich als in früheren Generationen. Die Frage nach der gemeinsamen Identität begleitet den BEFG seit der Umfrage im Jahr 1999 und es bleibt spannend, wie „unser Weg in die Zukunft“ uns weiterführt.
Friedrich Schneider