„Baptisten in weltbewegenden Zeiten“: Der BEFG in den Jahren / 1985–1995 (Folge 10/12)
- Initiative Schalom Friedensgebet vor Atomwaffendepot Hasselbach April 1990
Dieses politisch aufregende Jahrzehnt begann 1985 mit eindringlichen Mahnungen zum Frieden: 40 Jahre nach dem Krieg veröffentlichten die Evangelischen Kirchen in Ost und West gemeinsam ein "Wort zum Frieden".
Bundespräsident von Weizsäcker wagte die Hoffnung, der 8. Mai sei nicht das letzte Datum der Geschichte für alle Deutschen, wenn sie die Verpflichtung dieses Tages zu Frieden und Versöhnung beherzigten. Und die Bundesleitung des BEFG-DDR sprach angesichts des Wettrüstens von unserer Verpflichtung zum Friedensstiften.
Dennoch spielte die Friedensbewegung in den 80er Jahren in West und Ost bei Baptisten nur eine geringe Rolle.
Die baptistische "Initiative Schalom" wuchs im Westen; eine neue "Aktion Hoffnung gewinnen" entstand.
1987 setzte die Bundesleitung West einen "Arbeitskreis Gemeinde und Weltverantwortung" ein.
Die Bundesleitung Ost berief bereits 1984 einen "Arbeitskreis Friedensfragen".
Aber die großen bewegenden Themen in den Bünden waren eher interner Art: Über das Schriftverständnis und die Haltung zur Ökumene wurde im Westen gerungen; viele neue charismatische Aufbrüche neben den Gemeinden beunruhigten die Verantwortlichen im Osten.
Ein Abgeordneter des Bundesrates 1985 in Dortmund beklagte, dass in sieben langen Plenarsitzungen nur zehn Minuten blieben für die großen drängenden Fragen der Welt und des Friedens!
- Aufruf der AgCK in der DDR an die Gemeinden 1987
1988/89 waren die Baptisten dabei, als erstmalig in der Geschichte, Delegierte aller Konfessionen zu den großen "Ökumenischen Versammlungen" sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik zusammen kamen.
Nach unseren christlichen Antworten auf die Bedrohungen des Friedens, der Gerechtigkeit und der Schöpfung wurde gesucht. Dieser "konziliare Prozess" motivierte und stärkte z.B. die Kirchen und Gruppen in der DDR, sich gewaltlos für mehr Gerechtigkeit im Land zu engagieren und wenige Monate später in der friedlichen Revolution eine wichtige Rolle zu übernehmen.
Baptisten hatten ihren Glauben in der Vergangenheit eher weniger politisch verstanden.
Z.B. waren es die gewachsenen Beziehungen zu den Landeskirchen, die in diesen Jahren in den Bünden eine Öffnung für politisch-ethische Fragen der Theologie bewirkten.
Die DDR-Bundesleitung verabschiedete auf ihrer letzten Sitzung 1991 eine Stellungnahme zu den Ergebnissen der Ökumenischen Versammlung. "Schmerzlich müssten wir erkennen", so heißt es darin, "dass unsere Frömmigkeit kaum für einen verändernden und gestaltenden Einfluss auf die Struktur unserer Welt wirksam wurde".
Dankbar wurde die theologische Horizonterweiterung angenommen und als ein geistliches Wort, das uns zur Umkehr ruft, verstanden.
Im Oktober 1989 waren es nur einzelne Baptisten, die sich in der DDR an den Friedensgebeten beteiligten, kaum Gemeinden, die ihre Häuser für oppositionelle Gruppen öffneten.
"Für uns Baptisten kam die Wende zu früh. Wir waren noch nicht so weit"- so Uwe Dammann.
Ein paar Wochen und Monate später aber saß auch so mancher Baptisten-Pastoren an den Runden Tischen und Gemeindeglieder stellten sich zur Wahl um politische Verantwortung zu übernehmen. In dem kleinen Ort Buckow/Märkische Schweiz z.B. bestimmten Baptisten in verschiedenen Leitungsfunktionen viele Jahre die Kommunalpolitik wesentlich mit.
Mit dem Fall der Mauer und dem Weg zur staatlichen Einheit stand bereits im Mai 1990 die Vereinigung der beiden deutschen Bünde auf der Tagesordnung der Bundesräte in Ost und West.
Im Mai 1991 in Siegen wurde der Vereinigungsvertrag feierlich unterzeichnet.
Neben großer Dankbarkeit fand auch der Schmerz über 46 Brüder- und 12 Elimgemeinden seinen Ausdruck, sie hatten nun den DDR-Bund verlassen.
Große Veränderungen – für beide Seiten – standen bevor: Das Theologische Seminar in Buckow beendete seine Arbeit 1991, aber auch für das Hamburger Seminar waren die Jahre gezählt – der Bundesrat 1994 beschloss die Errichtung des neuen Bildungszentrums Elstal bei Berlin.
Für kleine Gemeinden im Osten, die in wirtschaftliche Not gerieten, wurde ein Solidaritätsfond gebildet. Und die Aufarbeitung der Geschichte des DDR-Bundes begann…
- Schwerter zu Pflugscharen - Symbol der kirchlichen Friedensbewegung der DDR
Aufbruchsstimmung auch in der Mission:
1993 erstmals "Pro Christ"-Evangelisation aus Essen,
1995 aus Leipzig das baptistische Jahr der Evangelisation mit dem Titel "aufbrechen 95/96".
Und unsere Verantwortung für diese Welt?
1995 gab es durch die Bundesleitung am 8. Mai einen Tag um Gott für "50 Jahre Frieden" zu danken. Frieden, der weiten Raum gegeben hatte, um in Gottes Namen neu aufzubrechen… Frieden, der Mut machte, in seinem Auftrag als Friedensstifter zu leben, in Haus und Beruf wie in Gemeinde und Gesellschaft."
"Botschafter der Versöhnung sein" – mit dieser großen Hoffnung brach die baptistische Familie auf, hin zur Jahrtausendwende.
Reinhard Assmann (Berlin)